Nach der Goldenen Palme in Cannes nun der große Triumph in Berlin: „The Square“ von Ruben Östlund ist mit sechs Auszeichnungen der große Abräumer der 30. Europäischen Filmpreise. Die schwedische Gesellschaftssatire reüssierte am Samstag in Berlin in sämtlichen Kategorien, in denen sie nominiert war – und holte sowohl den Titel „Bester europäischer Spielfilm“ als auch „Beste europäische Komödie“.
„Ich weiß nicht, ob wir wirklich so viel verdient haben“, sagte Östlund, der insgesamt viermal die Bühne des Hauses der Berliner Festspiele erklomm – konnte der 43-Jährige doch weiters sowohl den Regie- als auch den Drehbuchpreis für sich beanspruchen. In den Mittelpunkt seiner in der Kunstszene angesiedelten Tragikomödie stellt er einen Museumskurator, der sich selbst als weltoffen gibt, dann aber zunehmend als bigott und machohaft entlarvt wird. Er wollte einen Film schaffen, „der uns etwas über unsere heutige Zeit erzählt“, sagte Östlund in einer seiner vier Dankesreden. „Zugleich sollte er wild und unterhaltsam und aufregend sein.“
Ebenfalls ausgezeichnet wurden „The Square“-Szenenbildnerin Josefin Asberg sowie Hauptdarsteller Claes Bang. Der Däne setzte sich damit gegen Josef Hader durch, der für seine Titelrolle als Stefan Zweig in „Vor der Morgenröte“ nominiert gewesen war. Der Episodenfilm von Maria Schrader erhielt stattdessen den Publikumspreis, was Schrader „wirklich nicht erwartet“ hat. Weitere Preischancen aus österreichischer Sicht – darunter für den Kurzfilm „Wannabe“ von Jannis Lenz – realisierten sich nicht.
Der diesjährige Berlinale-Gewinner „Körper und Seele“, der im Vorfeld als Ko-Favorit gegolten hatte, musste sich mit einem Preis begnügen: Prämiert wurde die in Tränen aufgelöste Hauptdarstellerin Alexandra Borbély, die in der poetischen Liebesgeschichte von Ildiko Endeyi die beinahe autistisch anmutende Maria verkörpert.
Zum besten Dokumentarfilm wurde „Communion“ der polnischen Regisseurin Anna Zamecka, zum besten Debütfilm das Kostümdrama „Lady Macbeth“ von William Oldroyd gekürt. Den Preis für den besten Animationsfilm konnte das verheiratete Regie-Duo Dorota Kobiela und Hugh Welchman für sich beanspruchen: Für „Loving Vincent“, eine fantasievolle Filmbiografie Vincent van Goghs, wurden mit realen Personen gedrehte Szenen Bild für Bild in Öl nachgemalt.
Rund 900 Gäste, darunter Lebenswerk-Preisträger Alexander Sokurow, Schauspielerin Nastassja Kinski, Burgschauspieler Peter Simonischek und Künstler Ai Weiwei, waren zur Jubiläumsgala nach Berlin gekommen – jener Stadt, in der die Europäische Filmakademie (EFA) 1988 die allererste Verleihung der Europäischen Filmpreise ausgerichtet hatte. Mit auf der Bühne nachgestellten Filmszenen wurde bei der von Thomas Hermanns moderierten Gala dann auch an frühere ausgezeichnete Filme erinnert, darunter an Michael Hanekes „Die Klavierspielerin“ und Maren Ades „Toni Erdmann“.
Berlin, erinnerte sich Regisseur und EFA-Präsident Wim Wenders in einer leidenschaftlichen Rede, sei damals eine „geteilte Stadt auf einem schmerzlich gespaltenen Kontinent“ gewesen; der Mauerfall im Folgejahr habe „eine der fundamentalsten Veränderungen unserer Geschichte“ mit sich gebracht. „Stocksauer“ sei er vor diesem Hintergrund über die Rückkehr „eines alten Monsters, das wir seither für begraben hielten: Nationalismus“. An die kollektive Verantwortung „von und für Europa“ erinnernd, mahnte er Gäste und Zuseher ein, für Vielfalt und Freiheit zu kämpfen: „Seid ihr bereit?“
Wenders sollte nicht der einzige Redner mit explizit politischer Botschaft bleiben. So rief der britische Filmproduzent Mike Downey zur Freilassung des von Russland inhaftierten ukrainischen Filmemachers Oleg Senzow auf und forderten die Filmemacherinnen Helena Danielsson, Rebecca O’Brien, Ewa Puszczynska und Ada Solomon unisono, der #metoo-Bewegung Taten folgen zu lassen.
Die eindringlichste Rede aber sollte Julie Delpy halten, die für ihren europäischen Beitrag zum Weltkino geehrt wurde. „Ich bekomme diesen Preis dafür, dass ich seit über 30 Jahren in diesem Geschäft überlebe“, sagte die amerikanisch-französische Schauspielerin und Filmemacherin („Before Sunrise“) bezugnehmend auf Sexismus in der Filmbranche. Jahrelang seien ihr Türen vor der Nase zugeknallt worden – zuletzt, als Geldgeber ihr drei Wochen vor Beginn der Vorbereitungen für ihren nächsten Film die Finanzierungszusage entzogen hätten. „Sie hatten Angst vor ‚zu emotionalen Frauen'“, sagte die vor Nervosität zitternde Delpy, „aber ich gebe nicht auf.“
Eine Tombola beim Galadinner im Anschluss an die Verleihung solle helfen, das nötige Geld aufzustellen, um wie geplant im Februar mit den Dreharbeiten in Berlin zu beginnen, scherzte Delpy, ehe ihre Stimme brach: „Denn auch wenn ich sehr widerstandsfähig bin: Ich weiß nicht, ob ich das überlebe.“
Einst gegründet, um dem europäischen Kino mehr Renommee zu verleihen und ein europäisches Netzwerk aufzubauen, werden die Europäischen Filmpreise abwechselnd in Berlin und in einer anderen europäischen Stadt vergeben. Mehr als 3.200 EFA-Mitglieder haben in diesem Jahr über die Preisvergabe an ihre Branchenkollegen entschieden.
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Bildquelle: APA (AFP)/Tobias Schwarz
Bildtitel: Ruben Östlund erhielt den Europäischen Filmpreis für den besten Film
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